Filmtipp: Toilettenhäuschen und Baumkronen - Perfect Days von Wim Wenders

Perfect Days
Wim Wenders
Japan, 2023, Japanisch OmU
123 Minuten

Kinostart in Deutschland: 21. Dezember 2023

Im Film zu sehen ist auch die Betonscheibenkomposition von Masamichi Katayama und seinem Innenarchitekturbüro Wonderwall im Ebisu Park, die bei Baunetz Wissen vorgestellt wurde.

„Hätten Sie Interesse, nach Tokio zu kommen und sich ein höchst interessantes soziales Projekt anzuschauen?“ Wim Wenders folgte dem Lockruf an seinen Sehnsuchtsort prompt. Bei dem sozialen Projekt handelte es sich um nichts geringeres als „The Tokyo Toilet“, 17 neue öffentliche Toilettenhäuschen von 16 japanischen Architekt*innen, die zwischen 2020 und 2023 im Stadtteil Shibuya entstanden sind. Initiiert von der Nippon Foundation und dem örtlichen Tourismusverband sollte der ansonsten zum Unort verfallenen Typologie eine neue Qualität verliehen werden - ästhetisch und vielfältig gestaltet, in hohem Standard und inklusiv ausgeführt, dazu langfristig der Hygiene und Sauberkeit verpflichtet. Viele große Namen beteiligten sich: Shigeru Ban, Toyo Ito, Tadao Ando, Kengo Kuma, Sou Fujimoto und Fumihiko Maki.

Die bis Anfang 2022 fertiggestellten Häuschen sollten den Filmemacher und Fotografen Wenders zu einem Fotobuch, zu einer Kurzfilmreihe oder einer Dokumentation inspirieren. Doch um sie wirklich zu verewigen, fand er, solle man sie lieber in einen fiktionalen Kontext setzen. „Mir gefielen diese architektonischen Meisterwerke in Miniatur, die eher Tempeln glichen als Toiletten, und der künstlerische Aspekt, der das Projekt umgab,“ sagt Wenders, der mit Takuma Takasaki zusammen das Drehbuch schrieb.

Der daraus entstandene Spielfilm Perfect Days ist eine Hommage an das unsichtbare Tokio. Er streift all jene Orte, die die Idee zum Film lieferten und stellt die Geschichte des bescheidenen, sympathischen und höchst akribischen Toilettenputzmannes Hirayama (gespielt von Koji Yakusho) in den Vordergrund. Der Protagonist nimmt uns über zwei Stunden mit auf eine Reise in seinen Alltag, der von Einfachheit und vermeintlicher Gleichförmigkeit geprägt ist. Doch immer wieder kommen neue Aspekte zum Vorschein, neue Personen ins Bild oder Hinweise auf seine Geschichte. So steht letztlich die minutiöse Arbeit, die Perfektion und Sauberkeit im Kontrast zu all der unsichtbaren Last und Schwere eines gelebten Lebens.

Getragen von einer klaren und feinfühligen Bildsprache und dem für den Film sehr wichtigen Baustein bekannter Musiktitel – etwa Lou Reeds Song, auf den sich auch der Filmtitel bezieht – entwickelt sich Perfect Days von einem Menschen- zum Stadtporträt. So steht Hirayamas bescheidene Wohnhütte im Kontrast zum 634 Meter hohen Skytree, an dem er täglich vorbeifährt und der einen von vielen „Fixpunkten“ im Film bildet. Eben dieser künstliche Baum inmitten von Tokio steht wiederum im Kontrast zu den echten Bäumen und ihren immensen Kronen, die Hirayama während der Mittagspause in einem Park aufsucht.

Diese Auszeiten und kleinen „Fluchtpunkte“ werden symbolisiert durch eine analoge Kamera, mit der er immer wieder die Baumkronen aus der Froschperspektive fotografiert. Oder durch die Musikkassette, die jedes Mal ein wohlbekanntes Lied hervorbringt. Die traumartigen Sequenzen und künstlerischen Bilder der Bäume in Schwarz-Weiß sind ein Beitrag von Donata Wenders, die der poetischen Erzählweise wörtlich die Krone aufsetzt.

Es ist ein Film, der rührt. Bis zur letzten Sequenz. Diese wiederum ist ein Höhepunkt und – wenn man so will – die leise Zusammenfassung der Geschichte von Hirayama und seiner Stadt.

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